In kritischer Distanz zu populären binären Kategorisierungsansätzen, in denen der Neue Deutsche Film gegenüber einem zeitgenössischen transkulturellen Kino mit Migrationsthematik sehr gerne als Betroffenheits- bzw. Problemkino mit zu Opfern degradierten Ausländern abgehandelt wird, betrachte ich Fassbinders Werk als Teil eines komplexeren deutsch-türkischen Kinos, das sich solchen Festschreibungen sehr bewusst entzieht.
Insbesondere bemüht sich Fassbinder meines Erachtens nach schon in „Angst essen Seele auf“ sehr erfolgreich um die Entwicklung eines transkulturellen Gedächtnisses, und sein auf affektgesteuerte Grenzauflösung aufbauendes Solidaritätskonstrukt inspiriert nicht zufällig noch Akıns „Auf der anderen Seite“. Interpretationsmuster, in denen sich Ausländer und Deutsche sowie Männer und Frauen in Opfer bzw. Täterrollen gegenüberstehen, greifen aber nicht nur in der Filmanalyse zu kurz, sondern sie unterstützen eine Kontinuität dichotomen Denkens, um dessen Auflösung sich Fassbinder sehr erfolgreich bemüht.